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Bundeskongress 2018

Übersetzung Rede Luca Visentini

Rede von Luca Visentini, EGB-Generalsekretär

ÖGB-Kongress 2018
Wien, 13. Juni 2018

Liebe KollegInnen, Liebe Freunde!

Ich möchte die herzlichsten Grüße des EGB aussprechen – im Namen unserer 45 Millionen Mitglieder in ganz Europa.

Wir leben in einer sehr entscheidenden Zeit für Europa und die europäische Gewerkschaftsbewegung.

Die Europawahlen und der EGB-Kongress werden nächstes Jahr stattfinden.

Die jüngsten Wahlen, in Eurem Land und auch in meinem Herkunftsland, Italien, haben einen zunehmenden Populismus – Fremdenfeindlichkeit – anti-europäische Gefühle gezeigt.

Sie verbreiten sich auch unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitern – aber wir würden diese Gruppe fälschlicherweise als rassistisch oder populistisch betrachten – sie machen sich nur Sorgen um die Zukunft.

Regionen, in denen solche Gefühle vorherrschen, sind nicht diejenigen mit mehr Migrantinnen und Migranten – aber mit mehr Arbeitslosigkeit, Armut, sozialer Ausgrenzung – diejenigen, die stärker von der Krise und der Globalisierung betroffen sind.

Es ist eine Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung, die Demokratie und das europäische Projekt zu verteidigen – wenn wir es schaffen wollen, müssen wir diese Probleme angehen.

In der jüngsten Vergangenheit waren wir nicht ganz erfolgreich: Wir haben es teilweise verabsäumt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitern vor Krisen und Sparmaßnahmen zu schützen – sowie mit den sogenannten Außenseitern auf dem Arbeitsmarkt in Kontakt zu stehen und sie zu schützen: junge, prekäre und scheinselbständige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Wir müssen von dort aus neu beginnen, wir müssen neue Strategien einführen, wir müssen eine Erneuerung der Gewerkschaften einleiten.
Um all dies zu erreichen, haben wir fünf Prioritäten gesetzt – wir wollen sie mit Ihrer Hilfe weitermachen.

Erstens wollen wir das bestehende, ökonomische Denkmuster ändern.

Von Sparpolitik und Neoliberalismus zu einem progressiveren Modell.

Nur so kann Arbeitslosigkeit bekämpft und hochwertige Arbeitsplätze geschaffen werden.
Es ist an der Zeit, öffentliche und private Investitionen zu fördern, um hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen.

Es ist an der Zeit, die Binnennachfrage zu steigern – Ungleichheiten zu bekämpfen und nachhaltiges Wachstum zu unterstützen.

Dies ist auch der Schlüssel für die Gestaltung eines umfassenderen und nachhaltigeren Systems der Europäische Währungsunion.

Steigende Nachfrage bedeutet steigende Löhne.

Wir haben im letzten Jahrzehnt einen drastischen Lohnrückgang erlebt – wegen Sparmaßnahmen und Angriffe auf die Gewerkschaftsrechte

Dies hat nicht zu mehr Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit beigetragen. Im Gegenteil, es hat zu mehr Rezession und Stagnation geführt.

Deshalb haben wir unsere Kampagne für einen Pay Rise für alle Europäischen Arbeitskräfte gestartet.

Eine Lohnerhöhung ist ein wesentlicher wirtschaftlicher Anreiz für das Wachstum – aber es ist auch ein Vorstoß für soziale Gerechtigkeit und für die Bekämpfung von Ungleichheiten.

Wir müssen die Lohnunterschiede innerhalb und zwischen den Ländern angehen (insbesondere Ost und West) – aber auch innerhalb multinationaler Unternehmen.

Wir müssen die Hebelwirkung nutzen, um den Brain-Drain und Dumping zu stoppen –

Prekarität und Fragmentierung auf dem Arbeitsmarkt zu stoppen.

Das beste Mittel, um dies zu erreichen ist: stärkere Tarifverhandlungen in Sektoren und Unternehmen und wo Tarifverhandlungen nicht existieren oder schwach sind, müssen wir die Schaffung von Kapazitäten und rechtlichen Rahmenbedingungen unterstützen.

Das sind die Ziele unserer erfolgreichen Kampagne – deshalb starten wir eine europäische Allianz für steigende Lohnkonvergenz.

Die Konferenz in Sofia wird am 26. Juni stattfinden – wir brauchen Eure Unterstützung und aktive Teilnahme.

In Österreich ist es wichtig, das Kollektivvertragssystem zu stärken als einen europäischen Maßstab – aber auch dieses System muss vor Angriffen der aktuellen österreichischen Regierung geschützt werden.

Und der EGB wird in diesem Kampf auf eurer Seite sein!

Nach der Wirtschaft und den Löhnen – ist unsere dritte Priorität ein gerechter Wandel. Der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft – hin zu einer gerechteren Digitalisierung und Automatisierung – hin zu einer gerechteren Globalisierung und einem internationalen Handel.

Wir als Gewerkschaften können nicht einfach dastehen und diese Phänomenen nur beobachten, wie der Schaden entsteht – in Bezug auf die Zerstörung von Arbeitsplätzen und den Abbau von ArbeitnehmerInnenschutz.

Wir müssen verhindern, dass all dies geschieht – wir müssen Teil des Entscheidungsprozesses sein – wir müssen die Zukunft gestalten.

Dazu brauchen wir Werkzeuge – verfügbare EU-Mittel und nationale Ressourcen, Investitionen, Governance, um einen gerechten Übergangsprozess zu ermöglichen.

 

Gleichzeitig müssen wir auch die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt bewältigen.

Kontakt zu Prekären – Scheinselbständige und selbstständigen Arbeitskräften.

Helft ihnen – beschützt sie – organisiert sie und integriert sie in die Gewerkschaftsbewegung.

Der ständige Wandel, das ist unsere größte Herausforderung, wenn wir die Zukunft der Gewerkschaft in Europa mitgestalten wollen.

Dies bringt mich zu der 4. Priorität, nämlich die Notwendigkeit, das von Sparmaßnahmen und Strukturreformen betroffene EU-Sozialmodell wieder einzuführen.

Unser Sozialmodell steht im Mittelpunkt von “Ein Europa, das schützt” – Präsident Juncker, hat das letztes Jahr vor dem Europäischen Parlament erwähnt.

Mit der Sozialen Säule haben wir ein großartiges Ergebnis erzielt – vor allem dank des EGB und unserer Fähigkeit zu Lobbyieren und zu Verhandeln.

Aber jetzt ist es an der Zeit, für die Umsetzung zu mobilisieren – um die 20 Prinzipien in Gesetze und konkrete Maßnahmen umzusetzen.

Um ein Protokoll zum sozialen Fortschritt zu erreichen, das in die EU-Verträge und das EU-Recht aufgenommen wird.

Einige rechtliche Initiativen auf EU-Ebene gehen in die richtige Richtung – Entsendung von Arbeitnehmern, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen, Zugang zu Sozialschutz, Europäische Arbeitsbehörde.

Danke für Euer Engagement und Eure Hilfe – jetzt ist es an der Zeit, unsere Lobbyarbeit zu intensivieren, um solche Initiativen vor den EU-Wahlen durchzuführen.

Und schließlich ist es höchste Zeit, auch Migration und Mobilität zu verändern.

Schande über Europa und die Mitgliedstaaten für ihr Verhalten gegenüber Flüchtlingen!

Sie waren nicht in der Lage oder willens, die Menschenrechte zu respektieren – internationale Konventionen – grundlegende menschliche Werte.

Und wir sind jetzt wieder bei der gleichen Tragödie – mit dem Sommer kommen und die Menschen wieder auf See sterben.

Mit dem Rückzug der neuen italienischen Regierung Such-, Rettungs- und Willkommensmaßnahmen zu ergreifen – während andere Regierungen immer noch schweigen.

Wir wollen ein anderes Europa hinsichtlich Migration – und dafür müssen wir mobilisieren!

Wir müssen auch für Integration, für Gleichbehandlung und gegen Sozialdumping kämpfen.

Die einzige Möglichkeit, unsere Mitglieder davon zu überzeugen, dass Migranten kein Feind sind, ist es, jedem einen guten Job, ein gutes Gehalt, einen guten sozialen Schutz und Rechte zu bieten.

Wir müssen uns dazu verpflichten – und wieder brauchen wir Ihre Unterstützung, um zu das zu erreichen

In den letzten Jahren haben wir unsere interne Zusammenarbeit und Koordination deutlich verstärkt.

Wir haben uns auf eine gemeinsame Politik geeinigt, indem wir die bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West, Nord und Süd überwunden haben.

Wir haben effiziente Netzwerke und Praktiken innerhalb des EGB geschaffen, um unsere Mitgliedsorganisationen besser einzubeziehen und zu mobilisieren.

Und wir haben unseren Einfluss auf Institutionen sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene deutlich erhöht, indem wir die Stimmen des EGB an die Basis und auf die nationale Ebene, bringen, wo die meisten Entscheidungen getroffen werden.

Es ist uns gelungen, zumindest auf einigen Gebieten unsere Agenda durchzusetzen.

Ich möchte vor allem Erich Foglar, einem großen Freund der europäischen Gewerkschaftsbewegung, für all das danken, was er für den ÖGB, den EGB und den PERC getan hat.

Vielen Dank, Erich, auch wenn Du nicht als Präsident des ÖGB weitermachen wirst, bin ich mir sicher, dass Du weiterhin zu unserer Bewegung und unseren Kämpfen beitragen wirst.

Meine besten Wünsche an Wolfgang Katzian und die neue Leitung des ÖGB – ich bin überzeugt, dass wir unsere großartige Zusammenarbeit weiterführen und vertiefen werden.

Wir wollen den von uns vertretenen ArbeitnehmerInnen konkretere Ergebnisse bringen.

Wir wollen die Zukunft der Arbeitswelt gestalten.

Und damit dies geschieht, brauchen wir eine erneuerte Gewerkschaftsbewegung.

Gewerkschaften, die in der Lage sind, die Herausforderungen zu meistern, die wir vor uns haben.

Gewerkschaften, die in der Lage sind, die Veränderungen zu antizipieren und zu steuern.

Gewerkschaften, die mehr Jugendliche, Frauen und Migranten umfassen.

Gewerkschaften, die an der Stärkung von Demokratie und sozialem Fortschritt in Europa teilnehmen.

Mit Eurer Hilfe, in Solidarität, werden wir es schaffen.

Stehen wir gemeinsam für das soziale Europa und für die Zukunft der Arbeit, die wir wollen.
Vielen Dank nochmals für Ihre Bemühungen und Mitarbeit!

Gemeinsam werden wir gewinnen!